Wenn ich an Deutschland denke…kommen mir als erstes die Getränkemärkte in den Sinn. In der Tat: Je öfter ich einkaufen gehe, desto bestärkter werde ich in dem Eindruck, dass es wohl nirgendwo anders auf der Welt so viel Platz für trinkbare Flüssigkeiten gibt. Diese lagerhallenartigen Gebilde verströmen keinen Charme, wohl aber das Gefühl für das Labsal, das wir in Deutschland den vielen Mineral(wasser)quellen zu verdanken haben. Anderswo mag es sie auch geben, doch werden sie längst nicht so differenziert vermarktet. Woran das wohl liegen mag? Fest steht, dass ja auch die Anzahl der Brauereien bei uns (noch) hoch ist und diese auch viel Quellwasser anzapfen. Insofern ist das bei uns einzigartige bierselige Reinheitsgebot sicherlich vorteilhaft, wenn nebenbei auch „natürliches Mineralwasser“ zahlreich verkauft werden soll. Das Reine und das Natürliche ziehen sich magisch an; und dann liegt es auch nah, dass Fruchtsäfte, Limonaden, Spirituosen und Mischgetränke sich dazu gesellen können. Wenn ich demnächst einmal einen Zeitungsartikel dazu finden sollte, werde ich sicher noch einiges Wesentliche dazulernen.
Als ich neulich die in Chemnitz-Grüna beheimatete Getränkewelt in Steinpleis bei Zwickau ansteuerte, die als Marke mit dem Untertitel „Die Getränkekönner“ auftritt, ahnte ich bei der umtriebigen Verkäuferin, dass sie über eine ungewöhnliche Probieraktion noch mehr (Fruchtsaft-)Getränke an den Mann bzw. an die Frau bringen wollte. Und ganz nebenbei befand sich auch noch Mineralwasser der Marke Spreequell im Markt, die eigentlich im Berlin-Brandenburger-Raum zu Hause ist. Ich griff zu und ging gern das Risiko ein, dass ich womöglich anderswo diese Gebinde nicht als Leergut zurückgeben könnte. Und siehe da: Die Getränkewelt-Filiale in Fraureuth, keine 10 km entfernt, weigerte sich, die Spreequell-Flaschen zurückzunehmen. Was war da los? In Fraureuth sagte die Verkäuferin, jene Flaschen seien noch nicht mal im „System“ erfasst. Die Kollegin in Steinpleis werde einen „Anschiss“ bekommen. Nun, das war nicht meine Intention. Mir blieb nichts anderes übrig, als den kaum erwähnenswerten Mehraufwand nach Steinpleis zu nehmen und dort die Flaschen zurückzugeben. Eher schmunzelnd als klagend berichtete ich dort, dass ich diesmal nur Leergut hätte, denn ich hätte mich schon in Fraureuth neu eingedeckt (gleiches Unternehmen, aber vielleicht doch interne Konkurrenz?!). Ich schrieb auch der Unternehmenszentrale, von der ich von einem „Bezirksleiter“ auch eine recht ausführliche Antwort erhielt:
„Unsere Filiale in Steinpleis bezieht als einzige Filiale des Unternehmens Sonderware aus Berlin. Da diese nur dort verkauft wird, kommt es immer wieder zu der Problematik, dass die Systeme in anderen Filialen die Flaschen nicht erkennen. (…) Zu guter Letzt möchten wir uns gerne bei Ihrem nächsten Einkauf in der Steinpleiser Filiale mit einer kleinen Überraschung bei Ihnen entschuldigen.“
Hier geht es also nicht um den seit dem Frühjahr 2020 kursierenden Begriff der Systemrelevanz, sondern um eine Art Systemumgehung, die sich in der Systemumgebung der EDV zu beobachten lässt. Diese Umgehung der Umgebung ist in ihren räumlichen Dimensionen spannend. Schließlich dient ja die problematische Maßnahme der (lokalen) Verkaufsförderung und ist nur aus Kundensicht und nicht aus Unternehmersicht mit Nachteilen verbunden. Insofern hat die joviale Verkäuferin in Steinpleis keinen Fehler begangen. Marktfreundliches Denken ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht immer mit einer EDV-Systemlogik kompatibel. Zum Glück hat sie ihre Umtriebigkeit während der Arbeit sichtbar gewahrt. Und mir hat sie nicht übel genommen, dass ich die Zentrale informiert habe; ich habe ja bewusst das (lokale) Pfandsystem beanstandet, ohne die agierenden Mitarbeiter zu bekritteln.
Die Überraschung, die ich heute bei ihr rechtzeitig vor dem Maifeiertag abholte, war eine kleine, aber feine Getränke-Kühltasche mit Bitburger-Logo, gefüllt mit ganz unterschiedlichen Bier(mischgetränk)en. Da hat sich jemand Gedanken gemacht, denn Kostproben von der Chemnitzer Marx-Brauerei, der Veltins-Brauerei im sauerländischen Meschede sowie der kultigen Astra-Brauerei in Hamburg findet man in dieser Mischung nicht so schnell.
Alles in Butter, so könnte man sagen. Oder auf die Ästhetik der Getränkewelt umgemünzt: Alles paletti! Fast: Denn erwartungsgemäß wurde mir der in Berlin gekaufte Hochwald-Sprudelkasten nicht abgenommen. Das habe ich einfach mit einem schallenden Lachen quittiert!
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