An einem Wochenende im Frühjahr hörte ich das kurzweilige Deutschlandfunk-Feature von Andrea Gerk über Pausen. Der Titel „Über das große Glück der kleinen Unterbrechung“ ist ebenfalls thematisch hervorragend für anspruchsvolle Prüfungen, wie ich vorletzte Woche erleben durfte.  Ich inszenierte diese in Form einer 45-minütigen Gesprächsrunde, die nahezu optimal verlief. Ich musste nur zwei, dreimal Fragen einwerfen; ansonsten waren die Gesprächsbeiträge so gut aufeinander bezogen, dass das Zuhören trotz mancher sprachlicher Mängel ein Genuss war. Vermutlich lag es am Thema, das sowohl leicht verständlich als auch differenziert genug war. 

Den idealen Schlusspunkt setzte ein kamerunischer Gastdozent, nachdem wir über die unterschiedlichen Vorstellungen zu „Auszeit“ gesprochen hatten. Wörtlich sagte er: „Ich würde mich freuen, wenn die Auszeit in die Mentalität der Kameruner eingeführt würde.“ Zuvor war die Rede davon gewesen, dass nicht nur in Afrika, sondern auch in Mitteleuropa, zum Beispiel in Tschechien,  es unvorstellbar sei, das hiesige Konzept der Auszeit für sich in Anspruch zu nehmen, wenn es nicht in der sportlichen Verwendung (im Sinne von time-out) verwendet wird.  Wer von Auszeit spricht, muss im Grund ein distanziertes Verhältnis zum Faktor Zeit haben, vor allem zur Arbeitszeit. Denn Auszeit und Arbeitszeit stehen in einem gewissen Gegensatz zueinander. Der KI-Chat der Lernplattform fobizz antwortet mir Folgendes:

Dies (sic!) beschreibt eine Zeitspanne, in der jemand bewusst von der Arbeit oder alltäglichen Verpflichtungen pausiert, um sich zu erholen, zu entspannen oder persönlichen Interessen nachzugehen. Eine Auszeit kann kurz sein, wie eine Pause während des Arbeitstags, oder länger, wie ein Sabbatical.

Nun, so ganz glücklich bin ich mit dieser Antwort nicht, da hier wiederum die Unschärfe des Begriffs so aufscheint, das man kaum noch damit sinnvoll argumentieren kann. Während eine Arbeitspause in ihrem zeitlichen Umfang im Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben ist, ist der englische Ausdruck „sabbatical“ wiederum eng mit einem „Sabbatjahr“ verbunden. Das Dazwischen in Form von Wochen und Monaten kommt hier zu kurz! Und genau deshalb braucht es unterschiedliche Perspektiven.

Enden möchte ich mit dem schönen Gedicht Der kleine Unterschied von Mascha Kaléko (ca. 1940 geschrieben):

Der kleine Unterschied

Es sprach zum Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
„Gewiß, es bleibt dasselbe,
sag ich nun land statt Land,
sag ich für Heimat homeland
und poem für Gedicht.
Gewiss, ich bin sehr happy:
Doch glücklich bin ich nicht.“

(Aus: In meinem Herzen läutet es Sturm)

Ganz eindeutig wäre das Gedicht ohne die Exilerfahrung in den Vereinigten Staaten undenkbar. Doch ich frage mich, ob man auch bei einem längeren freiwilligen Auslandsaufenthalt zu einem ähnlichen Ergebnis kommen würde: Selbst wenn es Äquivalenz zwischen zwei Begriffen aus unterschiedlichen Sprachen gäbe (z.B. zwischen „happy“ und „glücklich“), würde man doch betonen können, dass das Glücklich-Sein sich nur dort einstellt, wo man „Heimat“ lokalisieren würde. Kaléko hat sicher nicht zufällig vier deutsche und vier englische Wörter in diesem Gedicht gegenübergestellt. In einer englischen Übertragung wurde „homeland“ durch „home“ ausgetauscht, was nicht verwundert, da auch „Heimat“ eines der emotional aufgeladendsten Wörter der deutschen Sprache ist: Das Ursprüngliche ist dort genauso enthalten wie das biografisch Bekannte in Verbindung mit dem Wohlfühlaspekt (Stichwort: Wahlheimat). Ohne Heimatgefühl, kein Glücksgefühl, sozusagen. So ist es leicher verständlich, warum man in Land A „happy“ und in Land „B“ glücklich sein kann.

Beim Begriff Auszeit kapitulieren Übersetzungstools wie deep-l; sie schlagen in vielen Sprachen nur time-out vor, das ja das Anhalten der Spielzeit vorsieht. Auszeit steht eben mit „Glücklich-Sein“ in keinem direkten Zusammenhang; außerdem steht dazu die Frage im Raum, warum das Lebensglück nicht mit der gewöhnlichen Zeit in Bezug gesetzt werden kann… Bevor es allzu philosophisch wird, breche ich hier lieber ab.

Nun, in der anstehenden Urlaubszeit lässt sich mit dem Begriff „Auszeit“ jonglieren, damit wir „in time“ wieder mit Freude und Elan der mehr oder weniger geliebten Arbeit frönen!

Kalékos Gedichtsammlung lässt sich einfach bei dtv bestellen.