Radio Vogtland gehört zu der Kategorie Lokalradiostationen, die mich ähnlich wie Radio Erzgebirge zum Schmunzeln bringen kann, wenn ich zum richtigen Moment einschalte (und dann auch schnell wieder ausschalte!).Und tatsächlich: Ich hatte Glück! Denn als ich am Abend des 17.06. einen recht steilen Berg bei Auerbach im Vogtland hochfuhr und hochschalten musste, lief der waschechte Sommerhit des österreichischen Sängers Johannes Sumpich alias Josh., in dem die bewusst falsche Aussprache von importierten Genüsslichkeiten aus romanischen Sprachen zum Hauptmotiv wird. Allein der Titel Expresso & Tschianti zeigt, worauf es ankommt: Hauptsache Genuss, egal, wie es genau heißt: Dass einem mal das Express-X durchrutscht, obwohl natürlich ein „s“ richtig wäre und man beim „ch“ an die spanische Aussprache denkt und an kein bloßes „k“, ist zwar für Italien-Liebhaber schmerzhaft, ist aber auch eine Belustigung. Folglich werden „Gnocchi“ wie „Gnotschi“ ausgesprochen, und „nozze“ (di Figaro) wie die spanische „noche“, so dass daraus „Die Nacht des Figraro“ und nicht Die Hochzeit des Figaro wird. Albernheit ist auch in solch einem musikalisch mittelmäßigen Hit erlaubt; „Bruschetta wird mit „sch“ und nicht mit „sk“ ausgesprochen, Tagliatella (richtig wäre der Plural „Tagliatelle“) mit harter „kl“-Lautfolge statt mit weicher lj-Kombination; „Limoncello“ wird zu „Limoncella“, „Baguette“ zu „Baguetta“, „Dolci“ zu „Dolcis“; „vernissage“ wird abenteuerlich zu „vernischas“ sprachlich verunstaltet; und der Satz „La vita è bello“ verkennt, dass das Leben im Italienischen „bella“ ist.
Was ist der Kontext dieser Verkettung von falsch ausgesprochenen Wörtern? Der Videoclip zeigt, dass dieser Sommerhit das Geschmäcklerische inszeniert. Denn die Speisen und Getränke werden an einem realen Ort konsumiert, der als Trattoria auch als (kleiner) Konzertort geeignet ist. Auf Nachfrage teilt mir das Management der Band mit, dass es sich um die „Cantinetta La Norma“ am Franziskanerplatz in Wien handelt. Unten spielt das Band-Trio; oben findet ein Abendessen statt, das man als verpatztes Date in einem kitschigen Rahmen interpretieren könnte. Jedenfalls hat der Herr bei der Dame keine Chance; am Ende bekommt er sogar die „Dolcis“ ins Gesicht geworfen. Er arrangiert das vollständige Abendprogramm, macht sich jedoch in diesem Rahmen selber lächerlich. Ernst kann man ihn zumindest nicht nehmen, gerade bei dieser verkorksten Aussprache.
Dass das Date unter Beobachtung steht ist von Anfang an klar, denn die Dame hat bereits einen unauffälligen Begleiter, der unten sitzt, mitgebracht. Und wahrscheinlich hat der Herr für die Speisen und das Ambiente gesorgt, was sie keineswegs anturnt. Egal ob Mozart-Oper oder Genuss, sie macht „einfach nur die Augen zu“. Der Clip hat von der Kameraführung etwas Filmisches und gleichzeitig von der Gestik und Mimik etwas Theatrales, so dass der Handlungsort wie eine Bühne eines Spektakels wirkt. Es entstehen Mehrdeutigkeiten, was den Hit eindeutig aufwertet. Man kann deswegen nicht von einem einfach gestrickten Schlager sprechen, denn das Eingänglich-Simple wird durch die Bilder eher hinterfragt. Ist das Gezeigte einfach zu verstehen? Und wie ist die männliche Gesangsstimme im Lied zu interpretieren? Ist der Charakter dahinter wirklich so töricht und einfältig? Oder ist er einfach nur albern, unseriös, komisch?
Die Hauptfigur singt ja nicht selber, so dass keine Einheit zwischen ihr und dem Interpreten besteht. Hier liegt der Clou: Vorgetragene Musik und dargestellte Handlung finden unter einem Dach statt und verweisen aufeinander. So lässt sich Komik noch intensiver darstellen.
Ein sommerliches Stelldichein, bewusst unseriös und oberflächlich im mediterranen Gewand verlebt, erhält somit einen mehr als nur ironischen Kommentar in Form eines Sommerhits. Diese Musik macht nicht Appetit auf mehr, sondern zügelt: Es darf auch ein bisschen weniger (Show) sein. Und: Geglückte Aussprache und vor allem Ansprache sind eben nicht „egal“!
Der Liedtext und der Pressetext zusammen mit dem Video laden zum Schmunzeln ein….Das dazugehörige Album Teilzeitromantik wird beim Label Warner kurz kommentiert. Es ist am 25.06.21 erschienen und ist u.a. hier erhältlich.
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